Die kleine verschmitzt drein blickende Dekopuppe mit verschränkten Armen und Schlenkerbeinen in einer blauweiß gestreiften Hose, weißem T-Shirt und mit weißem Cup – dessen Schirm modern zur Seite gedreht ist – hatte ich in den Wochen vor meinem Urlaub täglich in der Hand. Irgendjemand hatte sie dekorativ auf das Tischchen am Vogelkäfig gesetzt.
Weil Vögel nun mal Federn verlieren und beim Körnerpicken immer mal etwas daneben geht, musste der kleine Bursche immer wieder aufgenommen werden, um den Tisch zu säubern. Das war eindeutig kein idealer „Deko-Ort“, aber er wurde immer wieder ordentlich auf den Vogeltisch gesetzt.
Darüber bin ich dann in den Urlaub gegangen.
Als ich wieder zum Dienst kam, hatte der Bursche einen neuen Platz gefunden. Er saß nun auf dem Querbalken des Kruzifixes im kleinen Tagesraum.
Durch die Schlenkerbeine sah das Ganze ziemlich lässig aus. Rechts nun das Palmsträußchen und links eben der kleine Bursche.
Neben den widersprüchlichen Gefühlen und Gedanken, die ich bei diesem Anblick hatte, war eins zumindest klar: am Vogelkäfig störte er nicht mehr.
Scheinbar schien er dort oben am Kreuz niemanden zu stören.
Mittlerweile sind einige Wochen vergangen und der kleine Kerl sitzt immer noch dort.
Nun, mich begleitet er in Gedanken: ich habe noch nie so oft zu dem Kruzifix im Tagesraum geschaut und mir bewusst Gedanken darüber gemacht.
Irgendwie nimmt der kleine unbeschwerte Kerl dem Kruzifix die Schwere.
Ist es eigentlich ein Vergehen, eine Sünde, geweihte religiöse Symbole mit profaner Dekoration zu schmücken?
Sagt es etwas über die Entwicklung der Wichtigkeit des christlichen Glaubens aus?
Nein, das glaube ich persönlich nicht. Lebendiger, gelebter Glaube zeigt sich in inneren Einstellungen und Werten, zeigt sich im Umgang, den ich mit anderen Menschen pflege, aber nicht ausschließlich an einem Kruzifix oder anderen christlichen Symbolen an der Wand.
Getreu den Worten, gewidmet unseren Schwestern der Heiligen Maria Magdalena Postel:
„Das menschliche Miteinander, der Halt in der Gemeinschaft, die Offenheit für andere, in der Liebe vereint“.
Sicher ist, dass der kleine Kerl anscheinend noch niemandem, wenn überhaupt, negativ aufgefallen ist.
Sonst säße er bestimmt nicht mehr dort.
Kristina Funke-Stiemert, Haus St. Josef