Verreisen war früher etwas ganz Besonderes. Besonders die heute um die 90jährigen Bewohner im Haus St. Josef sind zu Kinderzeiten kaum verreist. Entweder fehlte das Geld für einen Familienurlaub mit der häufig großen Kinderschar oder man konnte den Hof mit den Tieren nicht allein lassen und gerade im Sommer gab es dort die meiste Arbeit. Oder aber, wie in Frau Lackmanns Familie, wurde das Geld, das nicht zum alltäglichen Leben benötigt wurde, für eine gute Ausbildung der Kinder gespart.
Frau Bothner war als Kind zwei Mal auf Nordseeinsel Norderney im Kinderkurheim. Noch heute leuchten ihre Augen, wenn sie von der Insel und vom Meer berichtet.
„Ich hatte das Glück, dass meine Mutter aus Osnabrück kam und wir dort und in der Umgebung Verwandte hatten. So war ich in den Ferien oft bei meiner Oma oder bei meiner Tante. Wir sind immer mit dem Zug dahin gefahren.“ berichtet Frau Ebbing. Noch heute kann sie die einzelnen Zugstationen von Marbeck bis Münster benennen.
Viele BewohnerInnen haben in Kindertagen eine ganz andere, schwerere Reise antreten müssen. In den Kriegsjahren gab es die so genannte Kinderlandverschickung. Besonders aus den stark bombardierten Städten im Ruhrgebiet wurden die Kinder in den Osten evakuiert.
„Ich war 8 Jahre alt, als ich mit einem Zettel mit meinem Namen drauf in den Zug gesetzt wurde.“ erzählt Frau Bothner über die Reise von Gladbeck in das unbekannte Allenstein in Ostpreußen. „Das war ein schwerer Abschied, aber ich habe es dort gut gehabt. Ich kam auf einen Bauerhof und durfte die Gänse hüten.“
Frau Karnath kam mit 13 Jahren mit ihrer ganzen Schulklasse, samt Lehrerin in die Tschechoslowakei. So war sie nicht ganz auf sich allein gestellt. Kurz vor Kriegsende schafften sie es aber auf der Flucht vor den Russen nicht ganz bis nach Hause. Sie mussten noch einige Monate in München bleiben und dort bei einem Bauern arbeiten, für Essen und ein Dach über dem Kopf. „Das war schwere Arbeit für ein junges Mädchen und ich habe oft Hunger gehabt.“
Urlaube zum Genießen wurden von den Bewohnern meist erst weit nach Kriegsende gemacht.
Bayern, Südtirol, Schwarzwald, Niederlande und das Sauerland waren beliebte Reiseziele.
Dort wanderte man überwiegend oder bestaunte Sehenswürdigkeiten.
Und davon gibt es zu erzählen:
„ Als wir im Schwarzwald Urlaub gemacht haben, haben wir ein Hotel entdeckt, das zum Verkauf stand. Wir haben uns gedacht ‚das ist etwas für uns‘ und haben nach reiflicher Überlegung das Hotel gekauft und sind mit Kind und Kegel dorthin gezogen. Erst im Rentenalter kamen wir hierher zurück.“ erzählt Frau Loick-Oesing.
Eine andere Dame berichtet – heute immer noch etwas beschämt – darüber, dass sie in ihrem Urlaub in den Niederlanden immer viel und billig eingekauft haben. Kurz vor der Grenze haben sie die Rucksäcke ihrer Kinder voll gepackt und sie aus dem Auto gelassen, um sie hinter der Grenze wieder aufzunehmen. Die Kinder waren durch die unbewachten Wiesen nach Deutschland gelaufen.
Frau Verheyen (94)ist eine der wenigen, die regelmäßig zweimal im Jahr Urlaub gemacht hat. Im Winter ging es zum Skifahren nach Österreich und im Sommer auf die niederländische Insel Ameland.
Und heute? Sind noch Reisewünsche offen geblieben? „Ich weiß nicht, ob ich die ganze Aufregung noch aushalten könnte.“ ist eine Antwort.
Frau Lackmann (95) hat damit keine Probleme, sie ist noch vor 2 Jahren zu ihrem Sohn nach Andorra geflogen.